Hier erläutern wir die in Österreich konventionellen Methoden für die Behandlung von Prostatakrebs. Wir erklären, welchen Einfluss unterschiedliche Therapien und Verfahren auf Deinen Körper haben und welche möglichen Nebenwirkungen dabei auftreten können. Die Kategorie dient als zusätzlicher Überblick und zur Vorbereitung fürs Arztgespräch.
Du bist im Rahmen Deiner Internetrecherche oder in einem persönlichen Gespräch auf den durchaus auffallenden Begriff „active surveillance“ gestoßen und daran interessiert, mehr darüber zu erfahren? Dann bist Du in diesem Artikel genau richtig! Im Folgenden erfährst Du, was es mit dieser Methode auf sich hat, warum sie auf erstem Blick fast schon verrückt erscheint und unter welchen Bedingungen sie überhaupt infrage kommt.
„Active surveillance“ ist Englisch und bedeutet übersetzt ganz ernüchternd „Aktive Überwachung“. Im klinischen Kontext versteht man darunter ein Behandlungskonzept von Patienten mit Prostatakrebs, bei der man lediglich in regelmäßigen Abständen (etwa alle drei Monate) den PSA-Wert kontrolliert, der Aufschluss über die Veränderung der Prostata gibt. Ist dieser Wert niedrig oder unauffällig, so ist bis zur darauf folgenden Kontrolle keine weitere Behandlung notwendig. Für den Fall, dass ein auffälliger Schwellenwert überschritten wird (indem sich zum Beispiel der übliche PSA-Wert verdoppelt) oder ein Patient die aktive Überwachung aus anderen Gründen abbrechen möchte, stehen ihm nach genauer Untersuchung Möglichkeiten zur Wahl, die einen Eingriff und/oder eine Behandlung erfordern, wie eine Prostatektomie, aber auch Hormon- oder Strahlentherapie.
Jetzt fragst Du Dich bestimmt: „Ist das denn überhaupt nicht fahrlässig, seinen Tumor jahrelang nur zu beobachten, ohne ihn zu bekämpfen?“ An diesem Punkt muss gesagt sein: Deine Skepsis ist durchaus berechtigt! Folgt man seiner Intuition, so fühlt sich das in der Tat wenig zielführend an. Warum ist die “active surveillance” dennoch eine der beliebtesten Behandlungen für Betroffene?
Ganz einfach: um zu verhindern, dass einer Person voreilig ihre Prostata entnommen wird oder um die Nebenwirkungen einer Strahlen- oder Hormontherapie zu vermeiden. Denn Fakt ist: Wer seinen Prostatakrebs bekämpft, verliert mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch Teile seiner Prostatafunktion. Indem eine Prostatektomie hinausgezögert oder gar verhindert werden kann, ist die aktive Überwachung also die beste Option, um seine Sexualfunktion sowie Kontinenz zu bewahren.
Was nämlich viele gar nicht wissen, ist, dass der Tumor bei 60% der Patienten selbst nach acht Jahren noch kein signifikantes Wachstum zeigt. Und für den Fall, dass jener doch wächst und ein gefährliches Ausmaß annimmt, ist immer noch eine Prostatektomie möglich. Ohne dem Krebs seine Gefährlichkeit absprechen zu wollen, muss man dennoch feststellen, dass sich die “active surveillance” als sichere und erfolgreiche Methode erwiesen hat und insofern weitaus weniger riskant ist, als man auf den ersten Blick vermuten würde.
Kurz gesagt: Ein Patient entscheidet sich zugunsten seiner Lebensqualität dafür, den Krebs - und damit auch seine Prostata möglichst lange zu behalten, muss allerdings bei jedem Kontrolltermin mit der Angst leben, potentiell negative Nachrichten erhalten zu können.
Voraussetzung für die aktive Überwachung ist die Verlässlichkeit des Patienten, regelmäßig zu den vereinbarten Terminen zu erscheinen, ein Tumorstadium von cT1 oder cT2a, ein PSA-Wert kleiner als 10 sowie ein Gleason-Score kleiner oder gleich 6, aber auch, dass die Gewebeprobe einer Stanzbiopsie maximal zur Hälfte aus Tumorzellen besteht und lediglich zwei von 12 Biopsien überhaupt Krebszellen enthalten.
Grundsätzlich sind das jedoch nur Empfehlungen. Denn die ausschlaggebende Entscheidung liegt letzten Endes immer bei den Patienten selbst. Wie schon oben erwähnt, trägt die aktive Überwachung nicht gerade zur Gewissheit bei, den Krebs besiegt zu haben. Für viele Betroffene kann das also sehr belastend sein, weswegen die Entscheidung ausschließlich dann getroffen werden sollte, wenn ein Patient selbst absolut davon überzeugt ist und sich damit sicher und wohl fühlt.
Falls Du Dich selbst in der schwierigen Situation siehst, Dich für oder gegen die “active surveillance” entscheiden zu müssen, kann es hilfreich sein, ein Gespräch mit Deiner persönlichen Onkologin bzw. Deinem Onkologen, Deiner Urologin bzw. Deinem Urologen, Deiner Psychologin bzw. Deinem Psychologen, Familie oder Freunden zu suchen. Auch Kontaktaufnahme zu Selbsthilfegruppen wie www.prostatakrebse.at in Österreich oder prostata-hilfe-deutschland.de in Deutschland können in Fragen wie diesen hilfreich sein und darüber hinaus die Gelegenheit bieten, sich allgemein über ein Leben mit Prostatakrebs auszutauschen.
Wichtig: Wir von PATIO sind darum bemüht, unsere Informationen zu prüfen und mit Expert:innen abzusichern. So erfolgte die Freigabe der Texte durch Dr. Melanie Hassler von der MedUni Wien. Dennoch dienen Artikel auf patiospots.com ausschließlich zur Informationsübermittlung und ersetzen kein Ärztinnengespräch. Jeder Prostatakrebs muss individuell betrachtet und ärztlich abgeklärt werden.
Quellen:
Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), https://www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/prostatakrebs/therapie/active-surveillance.php (Abruf: 22.9.2022)
James R. Broughman, Ramsankar Basak, Matthew E. Nielsen, Bryce B. Reeve, Deborah S. Usinger, Kiayni C. Spearman, Paul A. Godley, Ronald C. Chen; Prostate Cancer Patient Characteristics Associated With a Strong Preference to Preserve Sexual Function and Receipt of Active Surveillance; JNCI Journal of the National Cancer Institute; https://www.researchgate.net/publication/320505728_Prostate_Cancer_Patient_Characteristics_Associated_With_a_Strong_Preference_to_Preserve_Sexual_Function_and_Receipt_of_Active_Surveillance (Abruf: 22.9.2022)
J Ryan Russell, M Minhaj Siddiqui; Active surveillance in favorable intermediate risk prostate cancer: outstanding questions and controversies (Abruf: 24.4.2023)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35266907/
Bei der Hormontherapie, die gemäß der englischen Bezeichnung häufig als “ADT” abgekürzt wird, nehmen Betroffene Medikamente, um ihren Testosteronspiegel zu senken bzw. ihren Androgen-Wert systematisch niedrig zu halten. Das Wachstum von Prostatazellen wird nämlich normalerweise von der Menge des Hormons Testosteron gesteuert. Und eigentlich könnte sie genauso gut Antihormontherapie heißen. Denn die Idee hinter der Hormontherapie ist:
Bei Patienten mit einem Prostatatumor beschleunigt also im Normalfall das Androgen Testosteron dessen Wachstum. Um genau das zu verhindern, können sich Ärzt:in und Patient in gemeinsamer Absprache für eine Therapie entscheiden, bei der man durchgehend kontrolliert und beeinflusst, wie viel Testosteron im Körper ist. Für diesen Zweck gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Medikationsvarianten. Diese reichen von Tabletten sowie Nasensprays bis hin zu Injektionen und Implantaten. Dadurch unterdrückt man etwa das Signal im Gehirn, überhaupt Testosteron zu produzieren oder verhindert, dass es in die Zellen eindringen kann.
Wir haben gelernt, dass wir bei der Hormontherapie das Testosteron im Körper eines Betroffenen reduzieren möchten. Auf welche Weise ist das also möglich?
Die effektivste Möglichkeit, die Produktion des Hormons einzustellen, ist die sogenannte Orchiektomie, bei der die Hoden des Patienten entfernt werden. Dabei nimmt man dem Körper im Prinzip die Fabrik des Hormons. Das geschieht zwar weitestgehend schmerzfrei und lediglich unter lokaler Betäubung, ist allerdings eine irreversible Kastration, wodurch Betroffene auf Dauer die Fähigkeit verlieren, Kinder zu zeugen. Die Methode ist im Allgemeinen, je nach Alter und Lebenssituation, also eher unbeliebt.
Man kann sich LHRH-Antagonisten in etwa wie Falschgeld vorstellen, das man in riesigen Mengen in ein funktionierendes Wirtschaftssystem schleust. Dein Körper versucht dann, bei den GnRH-Rezeptoren in unserem Gehirn Testosteron zu “kaufen”. Aufgrund des plötzlichen Währungsüberschusses wird die Produktion von Echtgeld eingestellt, während der Hypothalamus, wo dieser Kauf stattfindet, aber bei genauerer Kontrolle das Falschgeld bemerkt und ablehnt, wodurch das Hormon kaum noch erfolgreich gekauft werden kann. Ähnlich wie der österreichische Finanzminister braucht unser Körper dabei bis zu sechs Monate, ehe er auf solch ein Problem reagiert. Bis dahin schleust man einfach wieder neues Falschgeld ins System und wiederholt den Vorgang.
Eingenommen werden LHRH-Antagonisten in Form von Spritzen im Bereich des Unterbauches, des Po- oder Oberschenkel-Muskels.
Dem Körper LHRH-Agonisten in Form von Injektionen, Implantaten oder Nasensprays zu geben, ist vergleichbar damit, eine Pflanze zu gießen. Unser Körper nutzt sie in erster Linie, um Testosteron zu produzieren. Wie du vielleicht bemerkst, ist das genau das Gegenteil dessen, was man eigentlich damit erreichen möchte. In den ersten Wochen nach Einnahme von LHRH-Agonisten steigt nämlich sogar unser Hormonspiegel. Das ändert sich allerdings rasch: Genauso wie man eine Pflanze zu häufig gießen kann, wirkt sich auch ein LHRH-Überschuss negativ auf die Testosteronproduktion aus. Ab einem gewissen Punkt nimmt unser Körper also kaum mehr Agonisten (das sind Moleküle im Körper, die die Produktion stimulieren) an und produziert kein Testosteron mehr.
Bei einer Behandlung mit Antiandrogenen, die meist in Form von Tabletten erfolgt, ist der Körper nach wie vor in der Lage, Testosteron zu “kaufen” und zu produzieren. Für die erfolgreiche Entfaltung des Hormons muss es aber logischerweise erstmals überhaupt in seine Zielregionen wie Prostatazellen gelangen. Der Vorgang klingt also so irrwitzig wie simpel: Nimmt ein Patient ein entsprechendes Medikament zu sich, blockieren die Antiandrogene ähnlich wie politisch engagierte Klimaprotestler die Straßen, die zur Ablagestelle des Testosterons führen. Dadurch kommen keine Androgene in der Zelle an und sie kann nicht weiter wachsen.
Es gibt noch eine Vielzahl weiterer Medikamente, die auf unterschiedlichste Weise die Produktion von Testosteron verhindern, indem sie molekulare Signalwege blockieren. Zum Beispiel manipuliert Abirateron, das ebenfalls als Tablette eingenommen wird, aktiv die Produktion von Androgenen. Konkret wird dabei das Enzym CYP17A1 davon abgehalten, seine Arbeit zu verrichten. Dadurch werden wichtige Schritte im Aufbau von Androgenen verhindert und die Menge an Testosteron im Blut sinkt.
Die Hormontherapie wird oft begleitend nach einer Prostatektomie oder zusätzlich zur Strahlentherapie verschrieben, kann aber auch als eigenständige Behandlung durchgeführt werden. Dabei unterscheidet man abseits der Prostatektomie zwischen der kontinuierlichen und der abwechselnden Variante der Methode, die sich im Prinzip lediglich darin unterscheiden, wie häufig Medikamente eingenommen werden müssen. Während man bei der kontinuierlichen Hormontherapie in regelmäßigen Abständen wie z.B. in 3-Monats-Intervallen das Medikament teils prophylaktisch zu sich nimmt, geschieht das bei der abwechselnden Variante immer erst reaktiv, wenn ein bestimmter PSA-Schwellenwert erreicht wird. In einer Befragung von 36 kanadischen Prostatakrebs-Patienten sprachen sich dabei 89% der Teilnehmer für die abwechselnde Variante aus. Sie scheint also deutlich beliebter, wohl auch deswegen, weil sie in der Regel eine seltenere Einnahme von Medikamenten erfordert.
Mit Ausnahme der Prostatektomie sind die Nebenwirkungen aller aufgezählten Varianten nur temporär, das heißt, sie verabschieden sich nach Beendigung der Therapie wieder. Zu rechnen ist mit Hitzewallungen, Müdigkeit, Brustempfindlichkeit, geringem Sexualtrieb, erektiler Dysfunktion (Potenzstörung), Osteoporose, Diabetes und Herz-Kreislauf-Problemen. Letzteres kann bei bereits bekannten Vorerkrankungen problematisch sein, da sie unter Umständen das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko deutlich erhöht. Grundsätzlich kann man also sagen, die Nebenwirkungen ähneln in ihren Symptomen sehr denen der Wechseljahre bei der Frau. Ein sehr zentrales Problem ist darüber hinaus, dass der Krebs langfristig eine Resistenz gegen die genannten Medikamente entwickeln kann, woraufhin dann auf eine andere Therapie umgestiegen werden muss.
Ob und in welcher Form eine Hormontherapie erfolgversprechend ist, entscheidet in jedem Fall Dein:e persönliche:r Ärzt:in gemeinsam mit Dir. Empfehlenswert ist im Behandlungsgespräch, nach den Nebenwirkungen spezifischer Medikamente zu fragen und Dir ein Verständnis darüber anzueignen, was in Deinem eigenen Körper während solch einer Therapie passiert und welchen Risiken Du dabei ausgesetzt bist.
Wichtig: Wir von PATIO sind darum bemüht, unsere Informationen zu prüfen und mit Expert:innen abzusichern. So erfolgte die Freigabe der Texte durch Dr. Melanie Hassler von der MedUni Wien. Dennoch dienen Artikel auf patiospots.com ausschließlich zur Informationsübermittlung und ersetzen kein Ärztinnengespräch. Jeder Prostatakrebs muss individuell betrachtet und ärztlich abgeklärt werden.
Quellen (zuletzt abgerufen am 24.4.2023):
Die Prostata ist ein wichtiges männliches (Geschlechts-)Drüsenorgan unterhalb der Blase. Sie stellt dadurch die Verbindung zwischen Harnblase und Harnröhre und ist durch Samenleiter mit den Hoden verbunden. Ihre primären Aufgaben sind die Produktion von Prostatasekret, das im Weiteren zu einem Anteil von etwa 30% der Spermienflüssigkeit beigemengt wird und so bewirkt, dass sich das aufgrund der zähen Samenflüssigkeit anfänglich unbewegliche Sperma verflüssigt und sich im Rahmen der weiblichen Befruchtung in Richtung des Eileiters fortbewegen kann, sowie die Lagerung und Ejakulation der Spermien während des Orgasmus in Form der Kontraktion der Prostata und des Samenleiters. Sie ist darüber hinaus wesentlich für die Blasenleerung und fungiert als Weiche, die je nach Erektion des Penis entweder für Urin oder für Sperma geöffnet ist.
Die Frage, ob auch in Frauen ein homologes Äquivalent zur Prostata beschrieben werden kann, ist aktueller Gegenstand der Forschung. Die hohe Konzentration des prostataspezifischen Antigens (PSA) und die histologische sowie immunhistochemische Ähnlichkeit der Paraurethraldrüse im weiblichen Körper legen zwar nahe, sie mit der männlichen Prostata zu vergleichen. Vor allem Unklarheiten bezüglich der funktionellen Anatomie, physiologischen Rolle und des entwicklungsbiologisch-embryologischen Ursprungs erschweren jedoch eine klare Beantwortung dieser Frage. Im Rahmen der Prostatakrebsbehandlung spielt sie jedenfalls keine Rolle. Tumore in der Paraurethraldrüse werden nicht als klassisches Prostatakarzinom definiert.
Tritt ein Prostatakarzinom auf und erreicht es ein für den Patienten wahrnehmbares Ausmaß, äußert sich das symptomatisch in Schwierigkeiten zu Beginn des Urinierens bis hin zur gänzlichen Unfähigkeit zu demselben (Harnverhaltung), in einem vermehrten Harndrang (insbesondere nachts), schwachem oder unterbrochenem Harnfluss, einer schmerzhaften Ejakulation sowie durch Blut im Urin oder in der Samenflüssigkeit. Prostatakrebs ist eine Alterserkrankung. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 72 Jahren. Vor dem 50. Lebensjahr ist das Auftreten des Tumors selten. Zudem gibt es eindeutige genetische Risikofaktoren, die die Erkrankung an einem Prostatatumor begünstigen. So sind etwa 5 – 10% aller Erkrankungen auf monogenetisch vererbte (autosomal dominante) Ursachen zurückzuführen. Verglichen zu vielen anderen Tumorarten ist die kumulierte relative 5-Jahres-Überlebensrate beim Prostatakarzinom mit 92% sehr hoch, weswegen sich seine Diagnose nur selten als akute Notsituation, sondern zumeist eher in einem chronischen Krankheitsverlauf äußert.
Ist der Tumor lokal begrenzt, werden abseits der Active Surveillance zumeist Brachytherapie, fokale Therapie oder die radikale Prostatektomie zur Behandlung eingesetzt. Erreicht er jedoch ein metastasierendes, hormonsensitives oder kastrationsresistentes Stadium, verbleibt neben der Chemotherapie lediglich die nicht kurative Androgendeprivationstherapie als Methoden zur gesamtheitlichen Bekämpfung und Hinauszögerung des Tumorwachstums. Dabei wird entweder durch eine Orchiektomie oder die Einnahme oraler, subkutaner (Injektion und Implantation) sowie nasaler Medikamente der Testosteronspiegel gesenkt, um das Wachstum jeglicher Prostatazellen – also auch Prostatakarzinomzellen – einzudämmen. Das gelingt molekular betrachtet auf sehr unterschiedliche Herangehensweisen, die im weiteren Verlauf der Arbeit erläutert werden.
Operative Eingriffe mittels ferngesteuerter Roboter? Die DaVinci-Methode macht’s möglich! Bereits seit einigen Jahren werden in progressiven Krankenhäusern Prostatektomien (=Prostata-Entfernungen) auf diese Weise durchgeführt. Wie genau das funktioniert, berichtet Jonas in diesem Video.
Unter der radikalen Prostatektomie versteht man die operative Entnahme der Prostata. Mit der Entfernung des gesamten Organs soll auch der Tumor gänzlich entfernt werden – vorausgesetzt, der Krebs hat sich noch nicht durch Metastasen ausgebreitet.
Maßgeblich relevant für die Entscheidung einer radikalen Prostatektomie sind der PSA-Verlauf, Gleason-Score, also die Biopsie-Ergebnisse, der Allgemeinzustand des Patienten und das beobachtete Verhalten sowie die Eigenschaften des individuellen Tumors bei Active Surveillance. Häufig wird sie als anschließende Behandlungsoption für Patienten mit aktiver Überwachung angeboten, deren Prostatakarzinom bedenkliches Wachstum aufzeigt und Gefahr läuft, fortzuschreiten. Ideal geeignet ist die Methode für ansonsten gesunde Patienten mit einer Lebenserwartung von über 10 Jahren mit lokal begrenztem Tumor (≤T2). Auch Betroffene mit lokal fortgeschrittenem Tumor kommen für die radikale Prostatektomie in Frage, müssen allerdings in vielen Fällen für eine vollständige Bekämpfung noch weitere multimodale Therapiekonzepte in Anspruch nehmen.
Die radikale Prostatektomie kann auf sehr unterschiedliche Weisen durchgeführt werden. Im Wesentlichen lassen sich drei Methoden unterscheiden:
Offene Operation: Hierbei schneidet die Chirurgin den Unterbauch auf, um auf direktem Weg die Prostata zu erreichen. Durch einen einzigen großen Unterbauchschnitt, der sich etwa 10 - 12 Zentimeter vom Schambein bis zum Nabel erstreckt, erhält sie direkten Zugang zum Organ und kann es auf herkömmliche Weise entfernen. Die offene Operation gilt allgemein als die konservativste und ursprünglich häufigste Variante, die allerdings in den letzten beiden Jahrzehnten zunehmend schrittweise von anderen Operationstechniken abgelöst wird.
Laparoskopische Operation: Bei dieser Methode verzichtet die Operateurin auf einen länglichen Schnitt entlang des Unterbauchs, indem stattdessen nur punktuell an ein paar Stellen ins Gewebe eingedrungen wird, um auf diesen Weg mit den notwendigen OP-Utensilien in den Bauchraum zu gelangen. Statt einer großen länglichen, hinterbleiben hier also wenige kleine Narben. Durchgeführt wird sie dabei wie die offene Operation in unmittelbarer Nähe zum Patienten.
Roboter-assistierte Operation (RALP): Auch jede roboterunterstützte Operation ist laparoskopisch. Der wesentliche Unterschied zu den anderen beiden Varianten ist hier die Nutzung eines Roboters. Das gängigste Modell stellt dabei das Da-Vinci-Operationssystem vom Hersteller “Intuitive” dar, bei dem man zwischen dem Si- und dem Xi-System unterscheidet. Letzteres ist die neuartige und günstigere Version mit tendenziell besserer Heilung. Prinzipiell gibt es zwar auch andere vergleichbare Geräte, in Österreich wird allerdings nur genanntes Da-Vinci-System verwendet. Vorstellen kann man sich das in etwa so: Die Chirurgin setzt sich an eine Konsole, bei der sie ihre Stirn an eine Art befestigte 3D-Brille drückt, durch die sie aus unmittelbarer Perspektive einer kleinen, aber scharfen Kamera sehen kann. Folglich führt sie ihren Daumen und Zeigefinger in eine Art Sattel an zwei mit dem Gerät verbundene Controller, mittels welcher sie ihr OP-Besteck bedient. Die Hände der operierenden Ärztin befinden sich nun also nahezu losgelöst auf Brusthöhe, wodurch ihr jede Menge Freiraum gegeben ist. Bewegt sie nun also ihre Hände und Finger, so überträgt sich das auf ihre nun erworbenen "Roboterarme". Mithilfe ihrer Beine kann sie währenddessen jederzeit die Kameraperspektive verändern. Anbei ein kurzes Video zum DaVinci-Roboter:
Im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte gewann das roboterassistierte Operationsverfahren insbesondere in Österreich an Bedeutung und gilt mittlerweile als der Goldstandard. Entscheidende Vorteile der RALP gegenüber des Ursprungsverfahrens ist die akkurate und umfassende Handhabung des OP-Werkzeugs, was den Operierenden ermöglicht, aus ansonsten unmöglichen Winkeln und Positionen heraus zu handeln. Weiters gleicht das System das natürliche Zittern der Chirurgen aus, indem es einstellen kann, dass eine tatsächliche Handbewegung von 10 Zentimetern zum Beispiel lediglich eine einzige Zentimeter-Verschiebung des Roboterarms bewirkt. Das funktioniert im Prinzip sehr ähnlich wie der Mauszeiger eines Computers, der sich ja ebenfalls nicht im exakt selben Ausmaß bewegt wie die tatsächliche Hand auf der Tischablage. Je nach benötigter Genauigkeit kann das also nach Belieben am Da-Vinci-Gerät eingestellt und angepasst werden.
Darüber hinaus zeigen Studien, dass die laparoskopische und roboterassistierte Operation gegenüber der offenen Operation klare Vorteile zugunsten eines niedrigeren Blutverlusts, geringerer Bluttransfusion sowie kürzerer Dauer des Krankenhausaufenthalts aufgrund schnellerer Genesung aufweisen. Folglich fasst auch der langjährige Primar und Leiter der Abteilung für Urologie am Ordensklinikum Linz Elisabethinen Dr. Wolfgang Loidl die derzeitige Situation zusammen:
“Die roboterunterstützte Operationstechnik hat aufgrund seiner [sic] hohen Präzision und Sicherheit in den USA die konventionelle laparoskopische Prostataentfernung nahezu vollständig und die offene Operation bereits weitgehend verdrängt."
Einzig achten sollte man darauf, dass der behandelnde Chirurg bereits Erfahrung mit Robotersystemen hat. Denn es ist deutlich, dass geübte Ärzte den besten Erfolg aufzeigen. So hat zum Beispiel Dr. Loidl selbst über 1400 RALPs durchgeführt, was ihm die ausgezeichnete Fähigkeit verleiht, unterschiedlichste OP-Situationen richtig einzuschätzen und möglichst minimalinvasiv zu lösen. In all der Fülle seiner Patienten war dabei zudem keine einzige Blutkonserve nötig und es kam lediglich ein einziges Mal zu einer Konversion, was bedeutet, dass die RALP inmitten der OP abgebrochen und auf eine offene Operation ausgewichen werden musste.
Die Prostata ist ein wichtiges Organ, das wesentlich zu einer funktionierenden und gesunden Kontinenz sowie Potenz beiträgt. Die Entnahme der Prostata ist ein irreversibler Vorgang, der meist mit einer Einschränkung dieser Funktionen einhergeht. Während man Inkontinenz mittlerweile bereits aufgrund einer sehr genauen und feinen Präparationstechnik recht gut im Griff hat, sieht das bei Impotenz derzeit leider noch anders aus. So betont etwa der Linzer Urologe Dr. Sommerhuber zwar sein Vertrauen in die Fähigkeiten der behandelnden Ärzte in den umliegenden Spitälern, möchte aber klarstellen, dass die Potenz bei nahezu allen Patienten nach ihrer Prostatektomie beeinträchtigt ist. In einer Befragung aus 306 Patienten, die zwischen April 2022 und 2023 durchgeführt wurde, gaben lediglich 6% der Betroffenen an, keine negative Veränderung bezüglich ihrer sexuellen Fähigkeiten bemerkt zu haben. Vollständigkeitshalber muss erwähnt sein, dass erektile Dysfunktion in manchen Fällen durch eine Neurapraxie begründet ist, bei der sich die verletzten Nerven noch Jahre später erholen können – eine postoperative Verbesserung zeigt sich dennoch lediglich bei etwa einem Viertel aller Patienten. Im Hinblick auf das allgemeine gesundheitliche Risiko stuft er die OP insgesamt als durchaus einschneidenden Eingriff mit allerdings gut abschätzbarem perioperativem (= nach der Operation) Risiko ein – vorausgesetzt man entscheidet sich für eine kompetente Ärztin bzw. einen kompetenten Arzt.
Zusammengefasst kann man also sagen, dass die radikale Prostatektomie eine äußerst effiziente Behandlungsmethode ist, um lokal begrenzte Tumore zu bekämpfen. Allerdings treten nicht selten Nebenwirkungen auf, die in manchen Fällen nur bedingt gelöst werden können und Betroffene in ihrer Lebensqualität einschränken. Viele Patienten entscheiden sich aus diesem Grund zuvor für alternative Behandlungen wie aktive Überwachung, Watchful Waiting oder Strahlentherapie – in der Hoffnung, Impotenz und Inkontinenz als unerwünschte dauerhafte Begleiterscheinungen zu verhindern. Seit 2021 kann in Österreich unter bestimmten Bedingungen auch die noch wenig geprüfte fokale Therapie angeboten werden, in der nur das Krebsgewebe entfernt wird, während der Rest der Prostata so weit wie möglich unversehrt bleibt.
Wichtig: Wir von PATIO sind darum bemüht, unsere Informationen zu prüfen und durch Fachkundige abzusichern. So erfolgte die Freigabe der Texte durch den in Linz niedergelassenen Urologen Dr. Sommerhuber. Dennoch dienen Artikel auf patiospots.com ausschließlich zur Informationsübermittlung und ersetzen kein ärztliches Gespräch. Jeder Prostatakrebs muss individuell betrachtet und medizinisch abgeklärt werden.
Quellen (zuletzt abgerufen am 11.5.2023):