Unter Gentest versteht man eine DNA-Analyse, bei der anhand einer Blut- oder Tumorprobe molekularbiologisch das Erbmaterial untersucht wird. Gentests sind eine innovative Möglichkeit zur personalisierten Diagnose und spielen eine wesentliche Rolle bei der Ursachensuche der Prostatakrebs-Erkrankung. Dabei wird die DNA in einem Labor auf bekannte genetische Mutationen untersucht, die erheblich zur Entstehung und zum Fortschreiten des Tumors beitragen. Die Tests können ärztlich empfohlen, aber auch auf Eigeninitiative angefordert werden und dienen zur besseren Einschätzung des persönlichen Risikos zur Krebs-Metastasierung.
Entgegen der Erwartung der meisten Menschen richten sich Gentests vielmehr an bereits direkt Betroffene und sind nicht Teil einer gewöhnlichen Vorsorgeuntersuchung. Es geht vor allem darum, konkrete Eigenschaften des Prostatakrebses zu bestimmen, um daraus die Anfälligkeit zu bestimmen, mit der ein lokales Karzinom zu einem metastasierten oder fortgeschrittenen voranschreitet. Die Auswertung kann die personalisierte ärztliche Behandlungsempfehlung beeinflussen und frei nach dem Motto “Je besser man seinen Feind kennt, desto besser kann man gegen ihn vorgehen” eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung des Tumors spielen. Konkret können dadurch im Rahmen der Active Surveillance Anpassungen in der Regelmäßigkeit von Biopsien oder Behandlungsmaßnahmen bei fortgeschrittenen Tumoren getroffen werden.
Betroffenen mit einem Gleason Score größer als sechs wird der Test frühestens ab dem Alter von 40 Jahren und unter bestimmten familiären Voraussetzungen empfohlen. So rät etwa das NCCN-Gutachten aus 2022 erst dann zur Vorsorge-Gentestung, wenn bereits zwei blutsverwandte Angehörige mit Prostata- oder Brustkrebs in Berührung gekommen sind. Ist man bereits von metastasiertem Prostatakrebs betroffen, zieht man einen besonders großen Nutzen aus dem Gentest, da an diesem Punkt entscheidender Handlungsspielraum besteht. Je nach Art der Mutation spricht das Karzinom nämlich entweder auf PARP-Inhibitoren oder Immuntherapie an, auf die wir bald in einem weiteren Artikel näher eingehen.
Grundsätzlich gibt es zwei Arten der Testung: die Keimbahn-Testung und die somatische Tumor-Testung. Die Keimbahn-Testung erfordert lediglich eine Blutprobe, während für die Tumor-Testung Prostatakrebsgewebe aus einer Stanzbiopsie vonnöten ist. Dieses muss nicht zwingend frisch sein, sondern es kann auch eine ältere Probe verwendet werden. (Der Unterschied zwischen Keimbahn- und somatischer Mutation wird im untenstehenden Teil zu “genetischen Veränderungen” erklärt.)
Das entnommene Probenmaterial wird nun ins Labor geschickt, wo das in den Zellen enthaltene Erbgut isoliert wird. Infolgedessen wird maschinell sehr genau die DNA-Abfolge abgelesen und mit bereits bekannten Referenz-Genen abgeglichen. Dabei wird überprüft, ob an irgendeiner Stelle ein genetischer “Abschreibfehler” passiert ist, der das Entstehen des Tumors erklären könnte. Zwischen dem Zeitpunkt der Probenentnahme und dem Erhalt der Analyseergebnisse vergehen in der Regel zwischen zwei und drei Wochen. Danach folgt ein ärztliches Klärungsgespräch, in dem das Resultat besprochen und etwaige sinnvolle Behandlungsanpassungen getroffen werden. Beide Tests sind normalerweise mit wenig Aufwand verbunden und daher in den meisten Prostatazentren verfügbar. Die Kosten belaufen sich auf etwa 200€ und können von der Krankenkasse übernommen werden, eine frühzeitige Abklärung diesbezüglich ist jedoch empfehlenswert.
Die eigenen Gene müssen sich häufig gar nicht allzu drastisch ändern, um Krebs zu begünstigen. In vielen Fällen sind sie vererbt und seit der Geburt im Körper verankert. Diese Art der Mutation bezeichnet man als Keimbahn-Mutation. Sie kann weitervererbt werden und war quasi schon immer da. In der Fachsprache bezeichnet man diese Eigenschaft als hereditär. So tragen zum Beispiel Brüder und Söhne von Betroffenen ein zweifach erhöhtes Risiko in sich, ebenfalls an Prostatakrebs zu erkranken. Noch höher ist die Anfälligkeit, wenn bereits mehrere blutsverwandte Familienmitglieder betroffen und/oder bereits mit jungem Alter erkrankt sind. Nicht hereditär sind hingegen somatisch bedingte Mutationen. Das bedeutet, dass sich die genetische DNA im Lauf des Lebens irgendwann spontan verändert hat. Diese Veränderung ist zumeist minimal und kann je nach Stelle, wo sie aufgetreten ist, entweder gar keine Auswirkung haben, oder sogar ganze Gene und die Bildung wichtiger Moleküle ausschalten. An dieser Stelle sei gesagt, dass solche Mutationen in allen funktionalen Zellen unseres Körpers immer wieder auftreten und das per se nichts Ungewöhnliches ist.
Man kann sich die genetische Stabilität der menschlichen DNA in etwa wie ein Jenga-Spiel vorstellen, bei dem jedes Jahr ein Block herausgenommen und oben auf den Turm gelegt wird. Insbesondere am Anfang des Spiels lässt sich der Turm dadurch nicht aus der Ruhe bringen. Erst später im Leben wird er – wie auch im Spiel – immer fragiler, bis schließlich ein sehr entscheidender Block herausgenommen wird und der Turm bzw. das Gen zusammenfällt. Spannenderweise gibt es im Körper sogar einen Mechanismus, der den Turm wieder zerlegen und ordentlich zusammenbauen kann. Besonders kritisch wird es aber, wenn durch Mutationen ein genau solches Gen funktionslos gemacht wird, dessen Aufgabe die Reparatur wäre. Diese Art der Gene nennt man Tumorsuppressorgene - sie unterdrücken Tumorbildung. Wie Du nun eventuell richtig vermutest, geht es bei der beschriebenen Gentestung um genau diese. Die wichtigsten und am häufigsten mutierten lauten BRCA1 und BRCA2 – Namen, die eigentlich erstmals bei Brustkrebs entdeckt wurden, spannenderweise aber auch in zahlreichen anderen Tumorarten – darunter eben auch Prostatakrebs – vorkommen.
Fakt ist: Tatsächlich werden in bis zu 30% der Patienten mit Prostatakarzinom in den Tumorzellen genetische Veränderungen gefunden, die den physiologischen Mechanismus der DNA-Reparatur beeinflussen. Die häufigsten davon betreffen die BRCA-Gene. Patienten mit Mutationen in diesem Bereich weisen ein erhöhtes Risiko für eine Prostatakarzinom-Erkrankung auf und ihre Prognose wird als ungünstiger eingestuft, was jedoch keinesfalls bedeutet, dass betroffene Personen nicht mehr gesund werden können. Ganz im Gegenteil hilft das Wissen über die eigene Genetik, um die persönliche Erkrankung besser zu verstehen und sie effektiver behandeln zu können. Gentests sind bei Prostatakrebs ein wertvolles Mittel zur Präzisionsmedizin und in ausgewählten, vor allem fortgeschrittenen Fällen empfehlenswert, jedoch nicht als Standard-Vorsorge notwendig.
Wichtig: Wir von PATIO sind darum bemüht, unsere Informationen zu prüfen und durch Fachkundige abzusichern. Die Kontrolle der Texte durch eine Fachperson ist derzeit noch ausständig. Artikel auf patiospots.com dienen ausschließlich zur Informationsübermittlung und ersetzen kein ärztliches Gespräch. Jeder Prostatakrebs muss individuell betrachtet und medizinisch abgeklärt werden.
Quellen:
Der PSA-Wert lässt sich über eine Blutuntersuchung bestimmen und gibt Aufschluss darüber, ob sich die Prostata verändert. Eine Veränderung kann gutartig oder bösartig sein, weshalb für Männer ab 45 Jahren ein regelmäßiger PSA-Check empfohlen wird, um Krebs möglichst früh erkennen zu können. Mehr dazu erzählt dir Vinzenz in seinem Video:
Unter der radikalen Prostatektomie versteht man die operative Entnahme der Prostata. Mit der Entfernung des gesamten Organs soll auch der Tumor gänzlich entfernt werden – vorausgesetzt, der Krebs hat sich noch nicht durch Metastasen ausgebreitet.
Maßgeblich relevant für die Entscheidung einer radikalen Prostatektomie sind der PSA-Verlauf, Gleason-Score, also die Biopsie-Ergebnisse, der Allgemeinzustand des Patienten und das beobachtete Verhalten sowie die Eigenschaften des individuellen Tumors bei Active Surveillance. Häufig wird sie als anschließende Behandlungsoption für Patienten mit aktiver Überwachung angeboten, deren Prostatakarzinom bedenkliches Wachstum aufzeigt und Gefahr läuft, fortzuschreiten. Ideal geeignet ist die Methode für ansonsten gesunde Patienten mit einer Lebenserwartung von über 10 Jahren mit lokal begrenztem Tumor (≤T2). Auch Betroffene mit lokal fortgeschrittenem Tumor kommen für die radikale Prostatektomie in Frage, müssen allerdings in vielen Fällen für eine vollständige Bekämpfung noch weitere multimodale Therapiekonzepte in Anspruch nehmen.
Die radikale Prostatektomie kann auf sehr unterschiedliche Weisen durchgeführt werden. Im Wesentlichen lassen sich drei Methoden unterscheiden:
Offene Operation: Hierbei schneidet die Chirurgin den Unterbauch auf, um auf direktem Weg die Prostata zu erreichen. Durch einen einzigen großen Unterbauchschnitt, der sich etwa 10 - 12 Zentimeter vom Schambein bis zum Nabel erstreckt, erhält sie direkten Zugang zum Organ und kann es auf herkömmliche Weise entfernen. Die offene Operation gilt allgemein als die konservativste und ursprünglich häufigste Variante, die allerdings in den letzten beiden Jahrzehnten zunehmend schrittweise von anderen Operationstechniken abgelöst wird.
Laparoskopische Operation: Bei dieser Methode verzichtet die Operateurin auf einen länglichen Schnitt entlang des Unterbauchs, indem stattdessen nur punktuell an ein paar Stellen ins Gewebe eingedrungen wird, um auf diesen Weg mit den notwendigen OP-Utensilien in den Bauchraum zu gelangen. Statt einer großen länglichen, hinterbleiben hier also wenige kleine Narben. Durchgeführt wird sie dabei wie die offene Operation in unmittelbarer Nähe zum Patienten.
Roboter-assistierte Operation (RALP): Auch jede roboterunterstützte Operation ist laparoskopisch. Der wesentliche Unterschied zu den anderen beiden Varianten ist hier die Nutzung eines Roboters. Das gängigste Modell stellt dabei das Da-Vinci-Operationssystem vom Hersteller “Intuitive” dar, bei dem man zwischen dem Si- und dem Xi-System unterscheidet. Letzteres ist die neuartige und günstigere Version mit tendenziell besserer Heilung. Prinzipiell gibt es zwar auch andere vergleichbare Geräte, in Österreich wird allerdings nur genanntes Da-Vinci-System verwendet. Vorstellen kann man sich das in etwa so: Die Chirurgin setzt sich an eine Konsole, bei der sie ihre Stirn an eine Art befestigte 3D-Brille drückt, durch die sie aus unmittelbarer Perspektive einer kleinen, aber scharfen Kamera sehen kann. Folglich führt sie ihren Daumen und Zeigefinger in eine Art Sattel an zwei mit dem Gerät verbundene Controller, mittels welcher sie ihr OP-Besteck bedient. Die Hände der operierenden Ärztin befinden sich nun also nahezu losgelöst auf Brusthöhe, wodurch ihr jede Menge Freiraum gegeben ist. Bewegt sie nun also ihre Hände und Finger, so überträgt sich das auf ihre nun erworbenen "Roboterarme". Mithilfe ihrer Beine kann sie währenddessen jederzeit die Kameraperspektive verändern. Anbei ein kurzes Video zum DaVinci-Roboter:
Im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte gewann das roboterassistierte Operationsverfahren insbesondere in Österreich an Bedeutung und gilt mittlerweile als der Goldstandard. Entscheidende Vorteile der RALP gegenüber des Ursprungsverfahrens ist die akkurate und umfassende Handhabung des OP-Werkzeugs, was den Operierenden ermöglicht, aus ansonsten unmöglichen Winkeln und Positionen heraus zu handeln. Weiters gleicht das System das natürliche Zittern der Chirurgen aus, indem es einstellen kann, dass eine tatsächliche Handbewegung von 10 Zentimetern zum Beispiel lediglich eine einzige Zentimeter-Verschiebung des Roboterarms bewirkt. Das funktioniert im Prinzip sehr ähnlich wie der Mauszeiger eines Computers, der sich ja ebenfalls nicht im exakt selben Ausmaß bewegt wie die tatsächliche Hand auf der Tischablage. Je nach benötigter Genauigkeit kann das also nach Belieben am Da-Vinci-Gerät eingestellt und angepasst werden.
Darüber hinaus zeigen Studien, dass die laparoskopische und roboterassistierte Operation gegenüber der offenen Operation klare Vorteile zugunsten eines niedrigeren Blutverlusts, geringerer Bluttransfusion sowie kürzerer Dauer des Krankenhausaufenthalts aufgrund schnellerer Genesung aufweisen. Folglich fasst auch der langjährige Primar und Leiter der Abteilung für Urologie am Ordensklinikum Linz Elisabethinen Dr. Wolfgang Loidl die derzeitige Situation zusammen:
“Die roboterunterstützte Operationstechnik hat aufgrund seiner [sic] hohen Präzision und Sicherheit in den USA die konventionelle laparoskopische Prostataentfernung nahezu vollständig und die offene Operation bereits weitgehend verdrängt."
Einzig achten sollte man darauf, dass der behandelnde Chirurg bereits Erfahrung mit Robotersystemen hat. Denn es ist deutlich, dass geübte Ärzte den besten Erfolg aufzeigen. So hat zum Beispiel Dr. Loidl selbst über 1400 RALPs durchgeführt, was ihm die ausgezeichnete Fähigkeit verleiht, unterschiedlichste OP-Situationen richtig einzuschätzen und möglichst minimalinvasiv zu lösen. In all der Fülle seiner Patienten war dabei zudem keine einzige Blutkonserve nötig und es kam lediglich ein einziges Mal zu einer Konversion, was bedeutet, dass die RALP inmitten der OP abgebrochen und auf eine offene Operation ausgewichen werden musste.
Die Prostata ist ein wichtiges Organ, das wesentlich zu einer funktionierenden und gesunden Kontinenz sowie Potenz beiträgt. Die Entnahme der Prostata ist ein irreversibler Vorgang, der meist mit einer Einschränkung dieser Funktionen einhergeht. Während man Inkontinenz mittlerweile bereits aufgrund einer sehr genauen und feinen Präparationstechnik recht gut im Griff hat, sieht das bei Impotenz derzeit leider noch anders aus. So betont etwa der Linzer Urologe Dr. Sommerhuber zwar sein Vertrauen in die Fähigkeiten der behandelnden Ärzte in den umliegenden Spitälern, möchte aber klarstellen, dass die Potenz bei nahezu allen Patienten nach ihrer Prostatektomie beeinträchtigt ist. In einer Befragung aus 306 Patienten, die zwischen April 2022 und 2023 durchgeführt wurde, gaben lediglich 6% der Betroffenen an, keine negative Veränderung bezüglich ihrer sexuellen Fähigkeiten bemerkt zu haben. Vollständigkeitshalber muss erwähnt sein, dass erektile Dysfunktion in manchen Fällen durch eine Neurapraxie begründet ist, bei der sich die verletzten Nerven noch Jahre später erholen können – eine postoperative Verbesserung zeigt sich dennoch lediglich bei etwa einem Viertel aller Patienten. Im Hinblick auf das allgemeine gesundheitliche Risiko stuft er die OP insgesamt als durchaus einschneidenden Eingriff mit allerdings gut abschätzbarem perioperativem (= nach der Operation) Risiko ein – vorausgesetzt man entscheidet sich für eine kompetente Ärztin bzw. einen kompetenten Arzt.
Zusammengefasst kann man also sagen, dass die radikale Prostatektomie eine äußerst effiziente Behandlungsmethode ist, um lokal begrenzte Tumore zu bekämpfen. Allerdings treten nicht selten Nebenwirkungen auf, die in manchen Fällen nur bedingt gelöst werden können und Betroffene in ihrer Lebensqualität einschränken. Viele Patienten entscheiden sich aus diesem Grund zuvor für alternative Behandlungen wie aktive Überwachung, Watchful Waiting oder Strahlentherapie – in der Hoffnung, Impotenz und Inkontinenz als unerwünschte dauerhafte Begleiterscheinungen zu verhindern. Seit 2021 kann in Österreich unter bestimmten Bedingungen auch die noch wenig geprüfte fokale Therapie angeboten werden, in der nur das Krebsgewebe entfernt wird, während der Rest der Prostata so weit wie möglich unversehrt bleibt.
Wichtig: Wir von PATIO sind darum bemüht, unsere Informationen zu prüfen und durch Fachkundige abzusichern. So erfolgte die Freigabe der Texte durch den in Linz niedergelassenen Urologen Dr. Sommerhuber. Dennoch dienen Artikel auf patiospots.com ausschließlich zur Informationsübermittlung und ersetzen kein ärztliches Gespräch. Jeder Prostatakrebs muss individuell betrachtet und medizinisch abgeklärt werden.
Quellen (zuletzt abgerufen am 11.5.2023):
Operative Eingriffe mittels ferngesteuerter Roboter? Die DaVinci-Methode macht’s möglich! Bereits seit einigen Jahren werden in progressiven Krankenhäusern Prostatektomien (=Prostata-Entfernungen) auf diese Weise durchgeführt. Wie genau das funktioniert, berichtet Jonas in diesem Video.
- Student (MA Germanistik)
- Social-Media-Tätigkeit und Kreativarbeit bei PATIO
- Konzeption, Erstellung und grafische Gestaltung der Social-Media-Inhalte